Verleihung des Atelierförderpreises 2021 des Kunstkreis Jura Neumarkt e.V. an Anita Brandt

Auszug aus der Laudatio von Barbara Leicht M.A.
Leiterin des Amtes für Kultur der Stadt Neumarkt i. d. OPf.
3. September 2021 im historischen Reitstadel Neumarkt

Anita Brandt hat ernsthaft studiert und viel künstlerisch gearbeitet und sich dabei intensiv mit ihren inneren Bildern auseinandergesetzt. Dabei hat sie eine authentische Handschrift entwickelt, die sie mit großer Akkuratesse wohlüberlegt umsetzt. Die Natur, welche sie über alles liebt, ist ihre Inspirationsquelle. Ihr Oeuvre besteht aus mehreren Werkgruppen, z.B. Schwerelos: an Mikroorganismen erinnernde, durchbrochene Formen, wie die ausgestellte Arbeit „Schwerelos rot oder rot!“ sowie Zeitspuren und Augenblicke … .

Die Künstlerin bleibt nicht am kleinen Format kleben, sondern wählt mutig quadratische Büttenpapiere, teils über einen Meter groß, denen sie ihre Formen einbeschreibt oder auch über zwei Meter lange Papierbahnen, rahmenlos frei an der Wand hängend. Das weiße Papier ist ihr eh ein wertvoller Begleiter und ein gestalterisches Mittel. Viele ihrer Arbeiten präsentiert sie daher ohne Glas, oft nur mit weißen Rahmungen. Es vereint sich die hautähnliche Struktur des Büttens mit der Linie, in diesem Fall in der pudrigen Konsistenz der Kohle, zur sensiblen Zeichnung. Die dritte Dimension wird schon im Kleinsten durch die Struktur des Papiers und der Zeichnung angelegt. Jene Illusion von Plastizität ist ihr wichtig. Sie setzt sie mit wenigen, aber wohl durchdachten Mitteln um. Jedoch werden die freien Formen der Serie „Schwerelos“ erst durch kleine Störungen/Irritationen plastisch lebendig, die sie in ihrer großen Akkuratesse und ihrem kontrollierten sicheren Strich zulässt. Ganz behutsam nämlich franst die Künstlerin die Ränder ihrer Formen aus. Eine Unschärfe entsteht, die die räumliche Anmutung beeinflusst. Anita Brandts Werke lassen an eine mit bloßem Auge nicht sichtbare Welt erinnern. Das, was womöglich im Mikrokosmos existiert, transformiert sie zu eindrucksvoller Größe. In diesen freien Formen manifestiert Brandt ihren künstlerischen Ausdruck. Ordnung und willkürliche Strukturen liegen im Schaffen der Künstlerin nah beieinander. Sie findet zwischen beidem Balance. Frei erdachte Formen empfindet sie von Hand sicher nach, wie im vorliegenden Werk als Positiv/Negativ zu sehen und appelliert mit geringfügigen Ungenauigkeiten an unsere Wahrnehmung. Anita Brandt ist eine Zeichnerin, die konstruktiv-gegenstandslos Liniennetze – verdichtend und erweiternd – lebendig über ihre Formen legt und sich mit Bleistift, Kohle, Fineliner und Rapidograph auf weißem Papier ihre Sicht auf keine Dinge authentisch erarbeitet.

Zur Ausstellungseröffnung „In Bewegung“

Barbara Leicht M.A.
Leiterin des Amtes für Kultur der Stadt Neumarkt i. d. OPf.
Mai 2021

Anita Brandt setzt konstruktiv-gegenstandslose Liniengebilde feingliedrig und lebendig mit Rapidograph und Fineliner sowie Tusche und Bleistift auf das weiße Blatt. Sie suggerieren Bewegung, erscheinen wie Eindrücke aus dem Mikrokosmos, erinnern an kleinste Partikel der Schöpfung. Phantasievoll, bedingt geordnet und in kontrolliertem Duktus. Die Linie ist ein besonders sinnliches Moment der Kunst: In ihren seriellen Arbeiten versetzt Anita Brandt diese ausdauernd in Schwingungen und begreift sie als Brücke zur Natur, die ihr als Inspirationsquelle in grenzenloser Fülle und Schönheit dient.

Die Serie „Schwerelos“ zeigt sie eigen Ersonnenes in organischer Gestalt, was es irgendwo in den Tiefen der Natur geben mag oder auch kontemplative Kreisformen, deren samtene Oberflächen aus kreiselnder Reißkohle sie mit leuchtenden Tönen unterlegt. Sie liebt sowohl geschlossene Formen als auch feinste lineare Allovers. Eine jener Serien nennt sie „Zeitspuren“. Hier fängt sie schnell wandernde Schattenspiele in zeichnerischen Umrissen ein, sie zeigen topografisch anmutende Karten, dem Prozess ihres künstlerischen Handelns entsprungen. Räumlichkeit simulierende Strukturen, auf denen das Auge entlang tanzt. Zierlich anmutende Linien akkurat gesetzt. Hochkonzentriert widmet sich Anita Brandt dem Augenblick. Das Weiß des Papiers ist gestalterisches Mittel und intensiviert den Impetus der Künstlerin. Präzise gezeichnet, wiederholen und überlagern sich diese Gefüge, als ob die Künstlerin nach Strukturen in für uns unsichtbaren Schichten oder Räumen schürft.

Ihr Modell ist meist ein Apfelbaum, manchmal die Kirsche oder auch die Quitte, die in einigen Fensterbildern von ihrer Form ahnen lassen. In der Serie „Boskop“ kartiert die Künstlerin gewissermaßen die Licht- und Schattenspiele, lässt sich ein auf das flüchtige Moment und transformiert es zu freien, gegenstandlosen Schöpfungen, deren Ursprung dennoch im Gegenstand liegen. Sie widmet sich auf intensive, bald kontemplative Weise dem Phänomen, dem Nicht-Greifbarem und macht es künstlerisch sichtbar.